Ärztepfusch – was kein Patient braucht, aber dennoch geschieht!

Fast jeder kann eine Geschichte erzählen, wenn es um ärztliche Behandlungen geht. Eine von sich selbst, von der Großmutter, der Tante, dem Freund, der Arbeitskollegin. Es sind meist Erzählungen, die bewegen. Erzählungen, die zeigen, dass bei der medizinischen Behandlung nicht immer alles so läuft, wie man es sich vorstellt. Es sind spannende Erzählungen, manchmal ähneln sie einem Kriminalroman und fast regelhaft gibt es ein Opfer, einen geschädigten Patienten, der bestenfalls allein Zeit durch den „Ärztepfusch“ verloren, häufig aber auch ein Stück Gesundheit eingebüßt hat und bei dem nichts mehr so ist, wie es vorher war.

Kunstfehler – Behandlungsfehler – Ärztepfusch: Die Begriffe zeigen, wie sehr sich die Wahrnehmung und damit auch der Anspruch an eine medizinische Behandlung gewandelt hat. Einst sprach man von der Kunst des Arztes, die honoriert wurde. Ein Arzt bemühte sich mit seiner ärztlichen Kunst um Heilung. Tat der Arzt etwas Falsches, so wurde von einem Kunstfehler gesprochen, der einer rechtlichen Aufarbeitung fast entzogen war. Dieser Begriff wurde abgelöst durch den Behandlungsfehler. Der Arzt schuldet dem Patienten eine Behandlung, die dem ärztlichen Standard entspricht. Der Standard wird dabei wissenschaftlich begründet und ist einer Überprüfung ausgesetzt. Heute wird gemeinhin vom „Ärztepfusch“ gesprochen. Das Wort „Pfuschen“ lässt an ein Handwerk denken. Der Arzt mutierte also von dem Künstler, der einer rechtlichen Schuldzuweisung entzogen war, zum Handwerker, von dem Gesundheit einzufordern ist.

Jeder Patient weiß, dass er sein Krankheits- gegen das Behandlungsrisiko tauscht. Der Patient lässt sich behandeln in der Hoffnung, dass ihm nichts passieren wird. Meistens passiert nichts. Aber wenn etwas passiert, die Diagnose falsch gewesen ist, die Therapie statt Besserung eine Verschlechterung gebracht hat, ändert sich die Welt für den Betroffenen von heute auf morgen. Die Frage ist, ob der Patient dies schicksalhaft hinzunehmen hat oder ob der Arzt für das negative Resultat zur Rechenschaft gezogen werden kann. „Gegen seinen Arzt vorzugehen, das macht man nicht, das tue ich nicht“, hört man Patienten oft sagen. Und so werden auch die teilweise schauerlichen Ergebnisse einer ärztlichen Behandlung, die durch einen Behandlungsfehler verursacht sind, oft als schicksalhaft hingenommen.

Das Arzthaftungsrecht tut aber etwas Gutes. Es fördert und fordert die Kommunikation zwischen dem Arzt und dem Patienten und wirkt damit Schadensfällen entgegen. Wir gehen heute von einem partnerschaftlichen Arzt-Patienten-Verhältnis aus, in dem der Arzt dem Patienten seine Krankheit verständlich macht, ihm die Risiken und Alternative einer Behandlungsmaßnahme erklärt und in dem der Patient dann sein Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen kann und in die Maßnahme einwilligt oder auch nicht. So entwickelt sich Vertrauen. Das Arzthaftungsrecht stellt auch ein effizientes Fehlermanagement dar, das hilft, dass Fehler sich nicht wiederholen. Warum soll der Patient einen Schaden, der durch einen vermeidbaren Behandlungsfehler entstanden ist, hinnehmen? Wenn jemand einen PKW schuldhaft anfährt und den Kotflügel einbeult, nimmt man das ja auch nicht hin, weil der andere nicht vorsätzlich, bewusst und gewollt gehandelt hat. Im Bereich des Verkehrsrechts sind Schadenregulierungen selbstverständlich. Zu dieser Selbstverständlichkeit müssen wir im Arzthaftungsrecht kommen. Ärzte sind Menschen und Menschen machen Fehler, für die sie einstehen müssen. Dafür sind sie versichert.

Insofern haben sich die Zeiten geändert – und das ist gut so.

Seit dem 01.02.2013 gibt es das Patientenrechtegesetz. Der Patient kann nun in den BGB-Paragrafen 630 a bis h nachlesen, was der Arzt ihm im Rahmen einer Behandlung schuldet. Der Arzt kann nachlesen, was er dem Patienten schuldet. Neues regelt das Gesetz nicht. Nach wie vor muss der Patient in der Regel beweisen, dass der Arzt ihm gegenüber vermeidbar fehlerhaft gehandelt und er dadurch einen Schaden erlitten hat. Meist ist es aber allein ein Gefühl, das den Patienten vermuten lässt, vermeidbar fehlerhaft behandelt worden zu sein. Daher steigt die Zahl derer kontinuierlich an, die ihren Behandlungsverlauf z.B. von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen oder den Schlichtungsstellen, überprüfen lassen. Es werden dabei Fehler aufgedeckt, die den Patienten in die Lage versetzen, leichter einen Anspruch auf Schmerzensgeld- und Schadenersatz durchsetzen zu können.

Dieses ursprüngliche Gefühl bzw. die Erkenntnisse aus der Überprüfung von Behandlungsverläufen sollten dann den Patienten zum Spezialisten führen, dem Fachanwalt für Medizinrecht, Schwerpunkt Arzthaftungsrecht – am besten als ausgebildeten Mediziner und Juristen. Hier kann aus Gefühl und Erkenntnis dann objektiviertes Wissen und die Formulierung eines Rechtsanspruchs werden.